103. 1584 Deutscher Einband (Wittenberg), wahrscheinlich von Hans Cantzler erzeugt
Biblia
Wittenberg: Erbe von Johann Krafft, 1584 fol.
Einbandgrösssen : mm 357 x 240 x 115
Provenienz: Charles Louis de Bourbon (Libreria antiquaria Ulrico Hoepli, La biblioteca liturgica dei duchi di Parma, N. 170), Paolo Gerli
Schweinsleder auf Holzdeckeln, mit Blind- und Goldprägung verziert. Blinde Filetenbünde schliessen drei konzentrischen mit Rollen verzierten Rahmen um, die beziehungsweise: 1) vier Kriegerköpfe, drei sächsischen Wappen, ein Wappen mit dem Monogramm "HC"; 2) Palmetten; 3) allegorische Figuren "CARI(TAS)-SPES-FIDE(S)/TEMP(ERANTIA) HC" darstellen. In der vorderen Deckelmitte, eine vergoldete Platte (130x70 mm) mit Luther und einer Rose (Lutherrrose) in voller Abbildung, der ein Buch dessen Inschrift "IN SIL/LEN(CIO) ET/SPE ERIT/FORTI/TVDO/VESTRA/MARTI/LVTHER" lautet, in seinen Händen hält; am Fuss, auf einem Stein, das Monogramm "NM" und das Einschnittsdatum, 1567. Oberhalb und unterhalb der Platte, eine horizontale Rolle mit religiösen Motiven; am Fuss, das Einbanderzeugungsdatum 1584. Auf dem Hinterdeckel, eine zweite Platte (130x70 mm), stellt Melanchton mit einem geöffneten Buch in den Händen und der Inschrift SI DEVS/PRO NO/BIS QVIS/CONTRA NOS-ORA ET/ LABOR(A)/PHILIP/MELAN(CHTON) dar. Am Säulenfuss, links, das Monogramm "NM" und das Anfertigunsdatum 1567. Oberhalb und unterhalb, eine horizontale Rolle mit religiösen Motiven. Eine übrig gebliebene metallische Schliesse. Rücken auf fünf erhobenen Doppelbünden. Rosarote und blaue Kapitale. Rote, wiegenförmige Schnitte.
Der erste1 und der dritte interne Rahmen mit dem Monogramm HC2 erlauben diesen Einband wahrscheinlich dem sächsischen Buchbinder Hans Cantzler3 (†1580) aus Wittenberg, zuzuteilen, Seine Stempel kommen selten bei anderen Handwerkern vor. Die mit dem Monogramm "NM" versehenen Platten könnten K. Haebler4 nach, dem Buchbinder Nikolaus Müller († 1593), ebenfalls in Wittenberg 5 tätig, zuteilbar sein. Vergoldete Platten auf Schweinsleder kommen nicht häufig auf deutschen Renaissanceligaturen vor, da der Golddruck auf diesem weissen Leder, mit dem Kalb verglichen, nicht so eindeutig hervortritt. Die Reformatoren sind hier in vollem Bild: ihr Ausssehen ist normalerweise als Halbfigur dargestellt. Das Erzeugnis wurde 1584 angefertigt und mit einem Paar von viel früher erzeugten Platten, 15676, beschmückt. Der Empfänger, manchmal durch ein Monogramm oberhalb des zentralen Rechtecks kennzeichnet, ist abwesend. Ein anderer Brera deutscher7 Renaissanceeinband ist mit einem ähnlichen Monogramm "CH" versehen. Die Stadtbibliothek in Lübeck bewahrt eine deutsche Renaissanceligatur mit einer identischen Lutherplatte8, während die Herzog August Bibliothek aus Wolfenbüttel einen deutschen Einband des XVI. Jahrhunderts mit beiden Reformatorenplatten9 versehen, besitzt.
1 K. HAEBLER, Rollen- und Plattenstempel..., zit., Band I, S. 78, HC Monogramm, 2.
2 ID, S. 72, Rollen A. bezeichnet, N. 4.
3 ID., S. 72-78.
4 ID., S. 333, Platten. A. bezeichnet, Ia, Ib.
5 ID., S. 301.
6 Der deutsche Renaissanceeinband n. 93, wurde mit einem Stempel der zwei Jahre (1546) vor dem Enbanderzeugnis (1548) dekoriert.
7 Siehe N. 95.
8 H. ZIMMERMANN, Holzschnitte, Tafel 34, Abb. 1.
9 K. HAEBLER, Rollen- und Plattenstempel..., cit., Band I, S. 334.